Hallo, hallo!

Jemand klatschte an meine Wange und ich wurde gefragt, ob ich weiß, wie ich heiße. Ob ich weiß, wie meine Frau heißt und ob ich weiß, wo ich wohne. Natürlich dachte ich und beantwortete die Fragen. Ein Mann mit roter Jacke hockte vor mir. Ich sah mich um und merkte, dass ich in der Wohnung lag. Unten. Irgendwas piekte in meinem Handrücken der Kopf schmerzte. Meine Zunge tat sehr weh. Ich hatte draufgebissen. Am Kopf eine Platzwunde vom Aufschlag auf die Küchenfliesen. 

Im Krankenhaus wurde ich in die Röhre geschoben. Es waren aber keine inneren Kopfverletzungen zu beklagen. Einweisung mit vielen Fragen und Unbekannten. Die Worte "Elleptiche Anfälle" fielen und ich dachte an die Zeit, als ich ein Junge war. Wir spielten oft auf unserem Hof. Manchmal kam ein Mädchen von der anderen Straßenseite dazu und wenn es zu viel wurde, hatte sie eben so einen Anfall. Ich dachte, das kann doch wohl nicht sein, aber wer weiß?

Eine Woche stationäre Beobachtung. Als mir am zweiten Tag Blut abgenommen wurde, sagte ich dem jungen Arzt, dass die letzten Tage etwas stressig waren und ich etwas mehr getrunken hätte. Und da gingen alle Lichter an. Nun wußten alle, woran es lag. Nun musste ich regelmäßig meine Arme vorstrecken, die Finger zur Nase und gegeneinander führen usw. Das Zittern verschwand und man verabschiedete mich mit den Worten: "Sie sind zwar entgiftet, aber nicht entwöhnt!" Und da klingelte es erst mal so richtig in meinem Kopf.
Meine OP wurde etwas verschoben. Ein viertel Jahr kein Auto fahren, musste ich unterschreiben. 

Genau nach einem viertel Jahr kamen wir auf der griechischen Insel Koss an und ich trank meine ersten zwei Bier nach dieser Attacke.
Ab jetzt trank ich bewußt. Nur zum Abendbrot und später mal bei Feiern etwas mehr und so schlich der Alkohohl langsam aber stetig wieder in meinen Alltag. Mit der Zeit wurde es bei den Feierlichkeiten immer mehr und führte auch dazu, dass ich noch lange vor dem Ende einschlief. 

Mein Sohn hatte einen runden Geburtstag und war schon mit seiner jetzigen Partnerin zusammen. Sie ist nicht genau so wie wir. Sie ist irgendwie anders, was uns nicht immer gefällt. aber wir müssen sie nicht ständig um uns haben. 
Der runde Geburtstag wurde groß gefeiert. Und da ich meinen Sohn kenne, ging ich ab und zu in die Küche, wo der Hochprozentige gekühlt wurde und trank auf sein Wohl. Natürlich hinterließ das Spuren. Als es zum lustigen Teil überging und in der Mitte getanzt wurde,
faste ich aus Spaß einmal an die Haare der Schwester unserer "Schwiegertochter". Kurz danach verließ das Pärchen die Feier. Ich schlief ein und wußte am nächsten Tag nur noch die Hälfte.

Nachdem ich zwei Tage im Garten verbracht hatte, erhielt ich von meinem Sohn einen Anruf. Er und seine Freundin müßten dringend mit mir sprechen. Ich überlegte, was so dringend sein könnte. Schwanger, Geldsorgen?
Ich kam nicht drauf.
 
Als sie kamen, erzählten sie mir, dass das mit meiner Trinkerei genug wäre und ich ja nun leider auch noch Sachen mache, die sie nicht von mir gedacht hätten. ich sollte wohl die Schwester am Arm gepackt und geschüttelt haben Außerdem zog ich noch stark an ihren Haaren und darum hat sie sich so früh auf den Heimweg gemacht. Ich war erschüttert, konnte mir das aber nicht vorstellen, weil soetwas gar nicht meine Art ist. Aber leider wußte ich nicht mehr genau, was ich getan habe.

Ich rief bei der Schwester an. Es war nur ihr Partner da. Ich entschuldigte mich für mein Fehlverhalten, und sagte auch, dass es mir nicht bewußt ist. Er tat es legär ab. Für mich war die Sache aber noch nicht erledigt. Ich erzählte davon meiner Frau und auch meiner Tochter. Und wie der Zufall es will, hatte der Freund meiner Tochter gerade diese Szene gefilmt. Meine Unschuld war bewiesen. Ich bin in mamchen Sachen etwas nachtragend und so kam es, dass erst ein halbes Jahr später eine Entschuldigung von mir angenommen wurde, weil ich den Kontakt so lange vermied. Wäre ich nicht so besoffen gewesen, hätte ich gleich siegessicher entgegen treten können.

Zweieinviertel Jahr später. Ich hatte gerade meine Humorrichtung in Paule Panzer- und Mario Barth- Richtung eingepegelt. Wir hatten Karten für Mario Barth zu einem Auftritt in Leipzig. Es war September und ich "wohnte" noch im Garten. Samstag nach Hause und Sonntag los. Kein Alkohol so recht im Hause. Man wird unruhig und gereizt.

Am Nachmittag ging  es los. Autofahrt nach Leipzig, noch alles gut, außer ab und zu ein Schweißausbruch. Arena gefunden. Wir haben noch Zeit und fahren zum Bahnhof und wollen was essen. Ich überrede mich wenigstens eine Suppe zu löffeln, denn der Appetit wurde in den letzten Monaten immer geringer. Die große Tasse klapperte auf der Untertasse und die Suppe schwapperte vom Löffel. Nach der ersten Hälfte hörte ich auf und schob alles zur Seite. Meine Frau sah mich an, sagte aber nichts. Wir wußten beide, was sie meint. 

Die Menschenschlange an der Arena war sehr lang. Ich regte mich ab und zu darüber auf, dass direkt neben uns eine Frau eine Zigarette nach der anderen paffte. Ich hatte Angst um unsere Sachen und der Qualm zog natürlich genau in unsere Nasen. Ich hasse das. Habe früher selbst geraucht, aber das ist jetzt fast zwanzig Jahre her und eine andere Geschichte. Wir nahmen unsere Plätze ein und lachten bis zur Pause über die Gags.

Dann war Pause und das Aus für mich. Ich holte mir ein Bier, sah einige Bilder auf dem Flur an und...

...wachte auf im Krankenauto. Im Krankenhaus das gleiche Prozedere, wie schon einmal. Meine Fau ist hinter dem Notrufwagen hinterher gefahren. Wie sie aussah, als sie an meiner Liege stand, kann sich jeder vorstellen. Sie fuhr mit mir nach Hause. Ich war wieder soweit klar, dass ich navigieren konnte.
"Nochmal mache ich das nicht mit" sagte sie. Ich nickte verständnisvoll.

Das war der zweite Schuß vor den Bug.

Am nächsten Tag gingen wir einvernehmlich zum Hausarzt und ließen die Kopfwunde behandeln. Auf eigenen Wunsch und mit gepackter Tasche fuhren wir zu einer Therapiestelle, die mir den Ablauf schilderten und mich weiter in die Notaufnahme schicktern. Dort wurden alle Formalitäten erledigt und meine Frau brachte mich hoch in die "Geschlossene". Ich hatte Tränen in den Augen und sie meinte, das ist für alle gut. Recht hatte sie. Nach einer Woche durfte ich für eine Stunde raus, aber nicht vom Gelände. Als ich sah, was da alles eingeliefert wurde, nahm ich mir fest vor, es nie wieder so weit kommen zu lassen, wie jetzt. Eigentlich war eine Gartenjahresabschlussfeier im engen Kreis geplant, an der ich aber nun nicht teilnehmen konnte. Man wußte in der Sparte, dass ich im Krankenhaus war und scherzte  "Der hat zu viel gesoffen!". Sie wussten aber nicht, wie recht sie hatten. Als ich wieder raus kam kümmerte ich mich um einen Termin bei Suchtberatungsstellen. Bei zwei solchen Stellen konnte ich einigermaßen zeitnah einen Termin bekommen. Ich ging zu beiden Stellen. Was ich auf gar keinen Fall wollte, war erstmal eine Langzeittherapie machen. Dafür hatte ich selbst genug zu tun. Ich fing wieder an zu Malen und zu Zeichnen, sägte Schwibbogen aus und machte Sachen, die ich immer verschoben hatte. Das andere, was ich nicht wollte, war, mich in eine Freizeitgruppe zu integrieren, die Kegeln geht, sich ein oder zweimal in der Woche trifft, um sich zu erzählen wie toll sie das Leben meistern. Ich wollte durch meinen eigenen Willen von der Droge wegkommen. Denn mir hilft kein anderer ,wenn ich nicht will. Meine Berater fanden das gut und meinten, so wie sie mich einschätzen schaffe ich es auch. Die eine der Beiden entließ mich schon nach drei bis vier Sitzungen. Ich sollte wiederkommen, wenn der Wille abnimmt. Zu dem anderen ging ich noch ein paar mal, bis er eines Tages einen Termin absagte. Er hinterließ die Nachricht, dass wir demnächst einen neuen Termin vereinbaren. Ich meldete mich bei ihm nicht mehr.

Sieben Monate trocken!

Herrentag!
Seit siebzehn Jahren treffen wir uns am Herrentag zum Feiern. Wr frühstücken mit Brötchen, Gehacktem, Knoblauch, Bier und Sekt. Dann geht es los. Wir ziehen von einem Ort zum anderen und finden es schön. Was machen? Mitgehen und nichts trinken und die Fragen über sich ergehen lassen, warum und wieso? Gar nicht hingehen, wie schon mal, als man wegen Alkoholsucht im Krankenhaus war?

Ich gehe hin. Ich nehme mir vor höchstens zwei , drei Bier., nur soviel, dass man sieht, man trinkt mit. Schnaps gar nicht. Letzteres hielt ich ein. Das Erste schmeckte wunderbar und das nächste und das nächste Bier und auch das nächste. Von betrunken sein, kaum was zu merken, alles geht gut. Dabei blieb es erst mal. Die Gartenzeit kam. Die gleichen Leute und in diesem Jahr auch noch Fußballweltmeisterschaft. Ich trank Grapefruitbrause. Ich habe den Eindruck, sie ist nicht so süß. Wenn Besuch kam, trank ich aber auch mal ein Alkoholfreies. Irgendwann sagte meine Frau, es täte ihr ja auch Leid, wenn ich auf Familienfeiern so da sitze und nichts trinken kann. Wir machten uns aus das zu ändern, aber nur in Maßen . Eine Zeitlang blieb das auch so, aber, aber.

Seit der letzten Attacke waren wieder zweieinviertel Jahr vergangen. Alles war beim Alten. Meine Augen meist trübe, Appetit gleich Null, Idealgewicht, aber nicht gut anzusehen, oft müde.

Aber etwas hat sich geändert. Ich war inzwischen Opa geworden. Der Kleine war etwas über ein Jahr und erforschte seine neue Welt. Wenn er mich besuchte, tobte ich mit ihm und lallte ihn manchmal an. Ich dachte es ist alles gut. Doch dann bemerkte ich eines Tages, und dann immer öfter, dass er ganz komisch den Nachbarn ansah, wenn der mal rüber kam. Und der kam nur rüber, wenn er was getrunken hat, weil er sich sonst nicht traute. Und genau so war es mit einem anderen Nachbarn, der auch zum Trinkerverein gehört.

Und das gab mir zu denken. Ich wollte nicht von meinem Kleinen Eng(k)el so fragend, mißtrauisch angesehen werden. Hatte ich doch in meiner einen HP geschrieben, dass ich für ihn da sein werde, dass ich seine Fragen beantworten will und mit ihm spiele. 

Hallo Enkel

Ja, so sollte es sein. Gemeinsam mit meiner Frau entschieden wir, am 05.01.2010 zur Klinik  zu fahren. Ich wollte entgiftet werden und nochmal versuchen, ohne Alkohol zu leben. Der Termin stand. Es war kurz vor Weihnachten. Die Feiertage wollten wir noch mitnehmen und froh und fröhlich ins neue Jahr wechseln. An dem einen Weihnachtstag leerte ich mit meinem Schwager noch eine Flasche Schnaps. Dann sind von uns immer noch einige Geburtstagsbesuche zwischen den Feiertagen zu absolvieren. Sylvester rückte ganz nah.

Ich schaffte es nicht. Am Nachmittag des vorletzten Dezembertages wollte ich von der Küche zum Flur gehen, als es meine Fau wieder dumpf aufschlagen hörte. Eine große Bodenvase ging kaputt und ich lag da. Der dritte Entzugskrampf, oder der dritte Schuß.

Die Sanitäter ließen mich in Anbetracht unseres Planes zu Hause. Sie rieten mir bis dahin ruhig "normal" weiterzutrinken, damit nicht nochmal was passiert.  Der Plan Sylvester in die vorgesehene Gaststätte zu gehen, wurde gestrichen.

Ich entschloß mich, und beredete meine Frau am Abend des 01.01.2010 die Notaufnahme im Krankenhaus aufzusuchen. Diesmal war es auch für mich erstmal eine geschlossene Station, aber nur für Alkoholiker. Hier wurde ein richtiges Tagespensum absolviert. Wir konnten meditieren, uns künstlerisch betätigen, am Kaninchenstall Schneefegen und so weiter. Auch gemeinsame Sitzungen fanden statt, wo über die einzelnen Pläne der Betroffenen gesprochen wurde.

Aber hier merkte ich genau wie damals schon, dass es welche gibt, die hier ein und aus gehen. Sie lassen sich mal entgiften, oder nur mal ausnüchtern und dann geht es wieder raus an die Basis. Andere nahmen die Sache ernst. Ich wurde gefragt, ob ich denn meinen Garten behalten wolle, wo doch das Umfeld sehr verführerisch ist. Da war ich fast sprachlos und bemerkte, dass das mein Hobby ist und einen großen Teil meines Lebens ausfüllt. Ich sagte, dass ich mein Problem einfach ansprechen werde und das tat ich. Wenn jetzt Fußball gesehen wird, steht meist schon eine Zitronenlimo auf dem Tisch des Nachbarn. 

Nur für mich!

 

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